Franz John, 2019

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geboren 1960 in Marktleugast; lebt und arbeitet in Berlin


Vita

Franz John (*1960) beschäftigt sich mit neuen und alten Medien an der Schnittstelle zwischen menschlicher und maschineller Wahrnehmungs- und Darstellungsmöglichkeit, in Verknüpfung mit Naturphänomenen. Seine Arbeiten verbinden intensive Recherchen und wissenschaftliche Analysen mit anschaulichen und oft auch berührbaren und benutzbaren Installationen im öffentlichen Raum. In seinen ortsspezifischen Kunstprojekten setzt sich der Berliner Künstler mit den historischen, geologischen oder klimatischen Besonderheiten einer Region auseinander.

Er realisierte verschiedene Projekte im öffentlichen Raum und war auf zahlreichen internationalen Einzel- und Gruppenausstellungen vertreten: u.a. im Exploratorium San Francisco (US), im Goethe-Institut Warschau (PL), zweimal auf der São Paulo Biennale (BR) und auf der Skulptur-Biennale Münsterland, bei der Ecomedia im Edith-Ruß-Haus in Oldenburg und bei Über Lebenskunst im Haus der Kulturen der Welt, Berlin (DE). 2011 erhielt er eine Projektförderung der Kulturstiftung des Bundes für seine künstlerisch-wissenschaftliche Arbeit mit Farbstoffsolarzellen.

Der Künstler, der seit 1980 in Berlin lebt und arbeitet, war Gastdozent an der University of Michigan, der Ohio State University und der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Zudem wurde er mit verschiedenen Stipendien ausgezeichnet: 1996 war er Artist in Residence im Headlands Center for the Arts in San Francisco; 2007 sowie 2014 war er Stipendiat der Stiftung Künstlerdorf Schöppingen und erhielt 2019 das Präsenzstipendium der ZF Kunststiftung in Friedrichshafen.

Während des Stipendiums in Friedrichshafen hat Franz John an seinem Projekt Ressource Farbe weitergearbeitet. Für dieses Projekt, das an der Schnittstelle von Kunst, Wissenschaft und Nachhaltigkeit angesiedelt ist, stellt der Künstler ortsspezifisch Farbstoffsolarzellen aus regionaltypischen Pflanzen her. Diese sogenannten Grätzel-Zellen nutzt er als Energiequellen für seine Klang- und Lichtinstallationen. In Friedrichshafen hat er die Farbstoffsolarzellen aus Hopfen, einer alten Kulturpflanze der Bodenseeregion, hergestellt.

Katalogtext

Ressource Farbe

Clemens Krümmel

Im Rahmen seines Stipendiums, das er seit Februar 2019 auf Einladung der ZF Kunststiftung im Turmatelier des Zeppelin Museums Friedrichshafen verbrachte, hat der sonst vor allem in Berlin lebende Franz John eines seiner zentralen künstlerischen Projekte der letzten Jahre auf die Basis einer umfangreichen und detaillierten Recherche vor Ort stellen können. Seit einiger Zeit schon hat er sich im Zusammenhang mit ortsspezifischen Lichtinstallationen in unterschiedlichen Formen mit einem zunächst naturwissenschaftlich und technologisch ausgerichteten Themenbereich auseinandergesetzt: der Erzeugung von Energie durch den Einsatz einer besonders nachhaltigen Form der Solartechnologie. Auch wenn Franz John über eine solide wissenschaftliche Grundbildung verfügt, sein besonderes Interesse in seiner Arbeit mit Solarzellen liegt in einem Bereich, in dem vor allem künstlerische Denkweisen neue ästhetische und erkenntnistheoretische Zugänge zu Fragen unserer menschlichen Weltwahrnehmung und deren Grenzen zu eröffnen vermögen. Und es ist auch eben dieses Interesse, mit dem John seit langem das Weiterkommen der inzwischen schon seit Jahrzehnten – vor allem in der Schweiz entwickelten – sogenannten Grätzel-Zellen (nach ihrem Erfinder Michael Grätzel benannt) verfolgen lässt. Dabei handelt es sich um Farbstoffsolarzellen, deren photosynthetisch funktionale Bestandteile aus Pflanzenpigmenten gewonnen werden können – im Gegensatz zur heute weltweit vorherrschenden siliziumbasierten Bauweise. Franz John hat sich gleich zu Beginn seines Aufenthalts mit den Farbpigmenten der vor Ort heimischen Nutzpflanzen der Region beschäftigt, und sie – wie zuvor schon zahlreiche andere Pflanzenproben – zum Gegenstand von Testreihen für den Bau von Grätzel-Zellen gemacht. So kam er recht bald auf die große Bedeutung des in der Bodenseeregion schon seit 175 Jahren betriebenen Hopfen-Anbaus. Die kulturellen und kulturgeschichtlichen Besonderheiten dieser Nutzpflanze, ihre weitreichenden klimatischen, ökologischen und ökonomischen Verflechtungen, veranlassten John dazu, den Hopfen ins Zentrum seiner Versuchsreihen zu stellen, mit denen er über Monate hinweg seine photosynthetischen und photovoltaischen Qualitäten untersuchte. Es galt unter anderem zu ermitteln, ob die Pflanzenzellen in einer bestimmten Wachstumsphase oder einem spezifischen Aufbereitungszustand energetisch besonders ergiebig sind.

In vielen Werken Franz Johns ging und geht es um Licht, in allen seinen kosmischen, physikalischen, erkenntnistheoretischen und historischen Dimensionen. Das hat bei den Arbeiten des Künstlers einerseits die Entstehung aus Leuchtlinien bestehender Innen- und Außenraum-Installationen, andererseits aber auch den Wunsch nach einer selbstreflexiven Durchdringung der wissenschaftlichen und künstlerischen Wirklichkeiten des Lichts hervorgebracht. Diese Perspektive erlaubt es durchaus, Parallelen zwischen künstlerisch-ästhetischen Autonomievorstellungen und wissenschaftlichen Zielsetzungen wie Subsistenz und Nachhaltigkeit zu ziehen. Den eigenen, auch in Form von Workshops betriebenen Experimente, die eine Art subjektive Grundlagenforschung repräsentieren und für eine Energiewirtschaft mit nachwachsenden Ressourcen sensibilisieren, stehen in Johns Werk die skulpturalen und installativen, zeichenhaften Markierungen von Räumen gegenüber. Es kann dem Künstler nicht um eine primär nutzenorientierte Optimierung der Farbstoffsolarzellen gehen – viel wichtiger ist ihm so etwas wie die reale,
ortsspezifische Verflechtung und Vernetzung seiner ästhetischen Forschung.

Bei seiner Ausstellung im Zeppelin Museum Friedrichshafen stellt er fünf, im Laufe des Jahres auf Raumhöhe gewachsene Hopfenpflanzen des nahe gelegenen Hopfen-Zentrums Tettnang in den Mittelpunkt einer Lichtinstallation, die er im Turmatelier mittels (in diesem Fall extern produzierter) Grätzel-Zellen und aus ebenfalls während des Zeitraums seines Stipendienaufenthalts gewonnener und gespeicherter Energie betreibt. Dadurch wird nicht nur auf symbolischer, sondern auch auf faktischer Ebene ein autosuggestiver, nachhaltiger Energiehaushalt der Ressource Farbe sinnlich erfahrbar – dies geschieht bei John ohne die sonst bei ökologischer Kunst oft anzutreffenden Idealisierungen oder Romantisierungen von Natur. Dem Selbst-Erfahrbaren und Nachvollziehbaren wird in Franz Johns Werken immer der Vorteil gegeben. Stärkstes Zugeständnis an symbolische oder ideale Raumvorstellungen, allerdings in einer historischen Perspektive, ist vielleicht die Entscheidung des Künstlers, die fünf Hopfenpflanzen gemäß dem transkulturell bekannten Quincunx-Schema ¹, das zum Beispiel in der Anordnung der fünf Punkte auf dem gebräuchlichen Spielwürfel gegeben ist, im Ausstellungsraum zu verteilen.

Im Verlauf der vergangenen zwei Jahrzehnte hat Franz John innerhalb eines zeitgenössischen Feldes forschungsorientierter Kunst wichtige interdisziplinäre Arbeiten geschaffen, die sich ebenso konzentriert wie langfristig mit den Beziehungen zwischen Natur- und Computerwissenschaften, Wissenschaftstheorie und den Formen künstlerischen Denkens befassen. 1992 begegnete ich erstmals einer von ihnen im Rahmen einer Themenausstellung des Hagener Karl Ernst Osthaus-Museums, an dem ich damals gerade eine Mitarbeiterstelle angetreten hatte. In der vom damaligen Direktor Michael Fehr konzipierten Ausstellung Trivial Machines wurde über sehr unterschiedliche künstlerische Beiträge eine spezifisch systemtheoretisch gefasste Existenzweise des Museums adressiert. Franz John präsentierte in diesem Zusammenhang seine Scanner-Installation Sky Nude, eine Arbeit, die vor allem aus einem, damals im privaten Anwenderbereich durchaus noch exotisch und high tech wirkenden, Farbscanner bestand. Sein Gebrauch dort hatte nichts mit einer bloßen Zurschaustellung technischer Möglichkeiten zu tun. Der Scanner stand auf einer offenen Terrasse, die man aus dem Museum heraus betreten konnte, und er war so ausgerichtet, dass er vierundzwanzig Stunden immer wieder einen bestimmten Himmelsabschnitt über dem Museum aufnahm und dann als Bilddaten auf einen im Innenraum stehenden Monitor übertrug. Franz John verstand es dabei nicht nur, ein Bild von der Komplexität nichttrivialer Input-Output-Beziehungen zu vermitteln, er verhalf auch einem wissenschaftlich nicht ausgebildeten Publikum zu der Gelegenheit, sich philosophischen Problemstellungen zu nähern, die sich beim Gebrauch zeitgenössischer Visualisierungstechniken ergeben. Mit dieser wie mit vielen späteren seiner Arbeiten wurde John für mich zu einer Art künstlerischem Schwachstellenprüfer, gelang es ihm doch offenbar immer wieder, mit Hilfe präziser Beobachtung medialer Prozesse, deren toten Winkel zu ermitteln, diejenige Stelle, die auch den Betrachter*innen ein neues Verständnis künstlerischer und wissenschaftlicher Weltbilder ermöglicht. Bei Sky Nude (was sich ungefähr mit Himmels-Aktbild übersetzen ließe) führte dieser neue Blickwinkel unter anderem zu der Erkenntnis, dass trotz äußerlicher Ähnlichkeit der aus dem Scannen resultierenden Monitorbilder keine naturalistischen Himmels- oder Landschaftsbilder entstanden – denn was im Scanner aufgezeichnet wurde, war lediglich ein nur wenige Millimeter hoher Bereich oberhalb der gläsernen Flachbettplatte der Maschine. Bei genauerer Beschäftigung mit den übertragenen Bildern im Museumsinnern wurde das erkennbar, und den Betrachter*innen wurde auf diese Weise die Vorformatiertheit ihrer habituellen ästhetischen Erkenntnisschemata bewusst, die sie in den Scanbildern Himmelslandschaften sehen ließen.

Einer meiner Favoriten unter Johns früheren Arbeiten ist seine Kopierte Galerie aus dem Jahr 1987, eine gleichermaßen performative wie installative Arbeit, bei der der Künstler in einem Akt des kreativen Missbrauchs mit einem der damals noch erhältlichen Handkopiergeräte die Wände eines Berliner Kunstraums in langen, live ausgedruckten Streifen abkopierte, nur um gleich darauf die Wände wieder mit diesen 1:1-Kopien jeweils exakt an der Stelle ihrer Abnahme zu tapezieren. Auch hier wurden auf wunderbar einfach scheinende Weise epistemologische Konsequenzen erlebbar, die entstehen, wenn man ein Visualisierungsmedium sozusagen auf sich selbst zurückbiegt, es sich gegen den intendierten Gebrauch zu eigen macht. Das Kopieren der Galerie dauerte mehrere Wochen, die vollständige Anbringung der schmalen Thermodruckerstreifen muss äußerst mühsam gewesen sein. Die Besonderheit im performativen Aufbau dieser Arbeit bestand darin, dass der Galerieraum durch die Kopier- und Tapezieraktion schließlich von innen hermetisch zugeklebt war. Es entstand so ein Zeitpunkt, an dem das Werk zwar abgeschlossen, aber nur vom Künstler selbst zu sehen war, der sich im Innenraum befand. Dieser Moment bedeutete nicht nur eine Zuspitzung in Kunstgalerien üblicher Verhältnisnormen von Bild und Raum, er verlieh auch dem Konzept der Ausstellungseröffnung eine neue Dimension, da hier der Künstler selbst zuallererst einen Zugang von innen freischneiden musste. Die Besucher*innen der Eröffnung wurden mit drastischen Mitteln in die außergewöhnliche Lage versetzt, ihre Erwartungen für die Ausstellung mit dem abzugleichen, was nach dem Akt des Eröffnens bereits ein anderes Werk geworden war.

In der Folge konzentrierte sich Franz John auf die künstlerische Erforschung groß angelegter Camera obscura-Situationen – um über sie die Korrespondenzen zwischen biologischer und maschineller Wahrnehmung, und zugleich immer auch die Nähe zwischen alten und vermeintlich neuen Medien, zu reflektieren. Insbesondere ist hier seine ortsspezifische Arbeit Military Eyes zu nennen, bei der er vor allem die besondere perspektivische Situation einer Gruppe verlassener Militärbunker nutzte, die oberhalb der San Francisco Bay gelegen ist – Franz John war im Headlands Center for the Arts in unmittelbarer Nähe der Anlagen als Artist in Residence zu Gast. Er entdeckte, dass die höhlenartigen militärischen Architekturen, die einmal vor befürchteten Angriffen aus dem asiatischen Pazifik schützen sollten, mit ihren schmalen Sehschlitzen als Camera obscura zu gebrauchen sind und damit auch als Vorrichtungen zur Bildproduktion genutzt werden können. Die auf dem Kopf stehenden Projektionsbilder überlagerten sich mit den Kritzeleien und Zeichnungen, mit denen Soldaten und Touristen inzwischen die Innenwände bedeckt hatten. 

Die hier eingeschlagene Richtung seiner Arbeit brachte John in der Folge dazu, sich intensiv mit der besonderen Räumlichkeit auseinanderzusetzen, die bei der Darstellung und Vermittlung wissenschaftlicher Beobachtungsdaten eine Rolle spielt. Das brachte ihn zu weit reichenden Schlussfolgerungen über die allgemeine Definition eines Begriffs von Daten, über ihre Wechselbeziehungen und ihre Materialität. Der Arbeitskomplex Turing Tables, den er seit dem Jahr 2001 vorantreibt, bezieht sich durch seinen Titel auf den Mathematiker Alan M. Turing, der mit seiner so genannten Turing-Maschine das im vergangenen Jahrhundert vielleicht folgenreichste Modell einer allgemeinen Theorie des Aufzeichnens und Wissens vorschlug, das jedoch auf tragische Weise zwischen den Möglichkeiten einer pure science und deren Korrumpierung in der Militärforschung zerrieben wurde. Auch bei Turing Tables ist es Franz John (diesmal in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern und Philosophen) wieder gelungen, die überzeugende Verräumlichung eines komplexen Wissensmodells zu schaffen. Hier geschieht dies durch die Applikation jener visuellen und akustischen Daten, die weltweit mittels wissenschaftlich genutzter Server gewonnen werden, um das tektonische Leben des Planeten Erde kontinuierlich aufzeichnen und Datenmaterial für die Prognostik zu sammeln. Johns Turing Tables organisieren einen projizierten Innenraum aus seismografischen Daten um die Betrachter*innen, die rund um sich herum die Übertragungsdaten sich in Echtzeit updaten sehen. Ein Aufbau, den es so, in dieser weltumfassenden, synoptischen Nutzung von Seismologie-Daten, in den angewandten Wissenschaften zuvor noch nicht gegeben hat – natürlich ebenso wenig in der Kunstproduktion –, und der mehr als jede andere vorherige Arbeit Johns auf das Zuspiel von interdisziplinärem und internationalem Zusammenarbeiten angewiesen ist. 

Das 2005 im Rahmen der Skulptur-Biennale im Münsterland entstandene Projekt Die Salztangente setzt erneut bei einem geologischen Visualisierungsproblem an, das aber auch eines der allgemeinen historischen Imagination ist. Es bezieht sich allerdings in diesem Fall nicht auf eine durch aktualisierte Daten als Echtzeit konstruierte Jetztzeit, sondern auf den kaum vorstellbaren Zeitraum von zweihundert Millionen Jahren, die als Zeitrahmen für die Entstehung unterirdischer Salzvorkommen in der betreffenden Landschaft angesetzt werden. Im westlichen Münsterland erstreckt sich ein großer Bestand unterirdischer Salzlagerstätten, die erdhistorisch, aber auch kulturgeschichtlich bedeutsam für diese Region waren und sind. Franz John hat dort entlang einer etwa 80 Kilometer langen, als Fahrradwanderweg angelegten Tangente Felder aus durchschnittlich drei Meter hohen Stahlstäben errichtet, die auf die vergangene Wasserhöhe des für die Salzstockbildung verantwortlichen, inzwischen lange ausgetrockneten Urmeers, des so genannten Pechstein-Meers, aufmerksam machen. An dessen Stelle ist eine Kulturlandschaft getreten, Radfahrer können sich entlang dieser Tangente, einer eben nicht mehr nur gedachten, sondern manifesten und gut sichtbaren Linie, auf ihrem Weg gewissermaßen in einen vorgestellten Unterwasserraum, aber auch in einen ganz buchstäblich erfahrbar gewordenen Geschichtsraum versetzen. Eine farbige Markierung auf einer an geologischen Karten orientierten Skala zwischen Blau und Grau indiziert die an der jeweiligen Stelle gegebene Stärke des Salzvorkommens – auch hier bedient sich Franz John übrigens der Quincunx-Anordnung. In denkbar großem Unterschied zu formal vielleicht ähnlichen Land-Art-Experimenten der 1960er und 1970er Jahre (wie etwa denen Walter De Marias oder Michael Heizers) steht für Franz Johns Arbeit das Mediale im Mittelpunkt, das zwischen abstrakter Erkenntnis und individueller Erfahrung steht.

Mehr als nur eine Generation von Künstler*innen hat sich inzwischen mit mehr oder weniger reflektierten Beiträgen in eine Situation wechselnder Selbstbeschreibungen und Fremdzuschreibungen zwischen Kunst und Wissenschaft begeben. Was anfangs als Befreiungsschlag aus allzu engen, zunftmäßigen Funktionszuweisungen an Kunst wirkte, ist inzwischen mit einem Zustand eingespielter Kommodifizierung und zu Ornamentik erstarrter Methodendiskussion konfrontiert, auf den neu reagiert werden müsste. Aufgrund seiner ungewöhnlichen Offenheit gehört das Werk von Franz John zu jenen seltenen Fällen, in denen diese schon seit geraumer Zeit zum Klischee gewordene Vorstellung von einem Arbeiten zwischen Kunst und Wissenschaft auch über einen längeren Zeitraum immer wieder zu überzeugenden und überraschenden Ergebnissen führt. Was seine Arbeitsweise so bemerkenswert macht, ist seine Unabhängigkeit gegenüber den eingeschliffenen Routinen der Arbeitsteilung – und seine gedankliche Beweglichkeit, die ihn zu einem der wenigen interdisziplinären Künstler*innen macht, die diesen Namen mit vollem Recht tragen. Die Ernsthaftigkeit seiner forschungsnahen Arbeit, die von ihm hartnäckig und mit methodischem Perfektionismus betrieben wird, zeigt sich deutlich an Johns Interesse an metakünstlerischen Diskursen, was ihn davor bewahrt, in die allzu bekannten selbstreferenziellen Fallen so vieler Medien- und Netzkunst zu geraten. Es lohnt sich jedenfalls, seine nächsten großen Schritte in diesen Feldern zu erwarten. Dass es sich nicht um eine naiv-lineare Fortschrittsbewegung handeln wird, davon kann sich jede*r überzeugen, der/die sich mit seinen Arbeiten beschäftigt. Auch in seinem Friedrichshafener Hopfen-Projekt, das neben seiner Nutzung photovoltaisch aktiver pflanzlicher Solarzellen und damit neben der Ressource Farbe auch auf die gegenwärtige und zukünftige Bedeutung der Ressource Kunst zeigt, treten einem die Nachhaltigkeitspotenziale der scheinbar ganz vertrauten, unmittelbaren Umgebung leuchtend vor Augen – wenn Franz John für seine Kunst photosynthetische Energie aus Pflanzenpigmenten einsetzt, nutzt er damit nicht nur die derzeit avancierteste Solartechnologie, er bezieht sich auch mit undramatischen künstlerischen Mitteln auf ein Register, das bis zu den Ursprüngen allen Lebens zurückreicht. 

1 Ein wichtiges Beispiel ist etwa der zuerst 1658 erschienene Traktat The Garden of Cyrus, or The Quincuncial Lozenge, or
Network Plantations of the Ancients des hermetischen Philosophen Thomas Browne. Vollständiger Text unter https://en.wikisource.org/wiki/The_Garden_of_Cyrus (zuletzt aufgerufen am 1.9.2019).
Alle biografischen Angaben wurden zum Zeitpunkt des Stipendiums verfasst und haben keinen Anspruch auf Aktualität. Für nähere Informationen besuchen Sie bitte die Webseiten der Künstler:innen, sofern vorhanden und hier aufgeführt.